Making-of: Vom Foto zum Fotobild (1)
Meine Bildideen machen mir häufig viel Arbeit. In der Vorstellung sehe ich das Bild klar vor mir und glaube, dass die Realisierung nicht so aufwändig sein wird. Aber leider ist die Umsetzung meist langwieriger als angenommen. Und manchmal bereue ich meine Bildidee. Sie lässt sich nicht mit vertretbarem Aufwand realisieren. Wie so oft klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Die Skizzen, Entwürfe und ersten Umsetzungsversuche landen im Papierkorb. Dann nehme ich mir vor, bei der nächsten Bildidee die Realisierung detaillierter zu planen. So, wie ich es mal in der industriellen Projektarbeit gelernt hatte: Viel Aufwand in die Konzeptionsphase stecken, um die Realisierbarkeit abzusichern und den gesamten Aufwand für das Projekt möglichst gering zu halten. Diesen eigentlich sinnvollen Workflow halte ich in der Fotografie jedoch selten durch. Das Bildermachen soll ja auch Spaß bringen…
Der hohle Baum ist ein Grenzfall. Als der Aufwand „im Lauf der Zeit“ immer größer wurde, war ich häufig kurz davor aufzugeben. Vielleicht hat dies dazu beigetragen, dass ich dem Bild den Titel „Im Lauf der Zeit“ gab.
Wie habe ich das Bild konzipiert? Wie viele Fotos verwendete ich für die Montage? Was sind die entscheidenden Schritte in der Konzeption?
Bei einer Radtour in der Nähe von Erding entdeckte ich den hohlen Baumstamm. Als ich die Kamera einschaltete, war mir klar, dass ich aus dem Foto etwas Besonderes machen wollte. Ich wusste nur noch nicht, was das sein würde.
Das Originalfoto zeigt einen ausgehöhlten Baum auf einer Anhöhe am Waldrand. Die Jahrhunderte haben am Baum genagt und ihn durch den Alterungsprozess ausgehöhlt. Oben rechts ist ein Schild zu sehen. Es weist darauf hin, dass man durch den hohlen Eichenstamm den Dom von Freising sieht. Ich konnte ihn nicht entdecken, weil die Luft an diesem warmen Sommertag in der Ferne flimmerte. Eine sinnige Idee, den Baumstamm dort zu platzieren und ihn als „Fernrohr“ auf den markanten Domberg von Freising auszurichten.
Aus fotografischer Sicht interessierte mich jedoch der Fernblick in diesem Moment nicht. Mein „Model“ war der Baum. Um ihn möglichst detailliert wiedergeben zu können, korrigierte ich die Standardbelichtung um zwei Stufen nach oben. Dadurch wurde der Hintergrund total überbelichtet. Da ich auf dem Fahrrad kein Stativ dabei hatte, machte ich noch einige Aufnahmen mit einer Belichtungszeit von 1/60 Sekunde aus der Hand. Um den hinteren Teil in dem Baumloch abzubilden, musste ich den integrierten Blitz auslösen.
Als ich die Fotos abends zu Hause in den PC einspielte, notierte ich in dem Kommentarfeld der Metadaten meine vage Idee: „Eingebettet in leere, weite Landschaft; im Loch am Horizont ETWAS“. Zusätzlich vergab ich ein Stichwort, über das ich das Foto dem Ideenspeicher zuordnete. Und dann vergaß ich das Foto.
Über ein Jahr beachtete ich die Hohleiche nicht weiter. Aber dann passte sie gut zu einigen geplanten Bildern mit Landschaftsobjekten. Ich fand die vage Idee im Kommentarfeld und skizzierte danach einen groben Entwurf für die Weiterentwicklung des Fotos zum Fotobild (Erläuterung des Begriffs: zum Blog-Beitrag).
Ich wählte, wie bei Landschaftsbildern üblich, ein Querformat und entschied mich dafür, das Seitenverhältnis von 2/3 beizubehalten. Ein engerer Rahmen wäre auch denkbar aber z. B. bei 3/4 wären die beabsichtigten Führungslinien zum Zentrum kürzer geworden. Die Perspektive war durch die Abbildung des Lochinnenraums weitgehend vorgegeben. Das Zentrum versetzte ich leicht nach rechts, um dem Bild etwas Spannung zu geben.
Für eine starke perspektivische Wirkung lege ich den Horizont etwa in die Mitte. Der Blick des Betrachters soll vom Bild quasi eingesogen werden. Die Boden- und Wolkenform ist auf einen Punkt am Horizont hinter dem Baumloch auszurichten. Um die räumliche Tiefe zu betonen habe ich im Vordergrund Gras wachsen lassen.
Und was soll im Loch zu sehen sein? Ich wollte die zeitliche Entwicklung visualisieren. Eine große Zeitspanne hätte ein junger Baum oder einer im Frühlingsgrün ergeben. Die Darstellung fand ich dann doch etwas übertrieben. Daher entschied ich mich für einen herbstlichen Baum, der zeitlich und optisch besser zu dem Hohlbaum passt. Im Original ist die Lichtrichtung am Waldrand nicht so bestimmend. Für die Fotomontage setzte ich die Sonne mittäglich hoch nach rechts.
Ich unterstütze gern die konventionelle Blickrichtung von links nach rechts. Daher habe ich das Originalfoto für die Montage horizontal gespiegelt. Im hinteren Teil ist das Innere des Baums unscharf, da ich auf den vorderen Bereich fokussiert habe und der Schärfenbereich nicht ausreichte. Einige Teile erscheinen sehr dunkel und nicht mehr strukturiert. Vorsorglich hatte ich ja eine zweite Aufnahme mit dem Fokus auf den hinteren Bereich und mit Blitz gemacht.
Für das Feld und den Himmel boten sich sogar Fotos von derselben Radtour an. Nachdem ich den hügeligen Teil bewältigt hatte, führte die Strecke anschließend durch eine weite Ebene. Das fand ich gut, weil mir die Hügel in der ersten Hälfte bei der Sommerhitze einiges abverlangt hatten. Im Nachhinein passte die Streckenplanung auch noch gut zur Bildkomposition: Nicht nur Erholung im zweiten Teil der Tour, sondern auch noch die richtigen Bilder von Feld und Himmel.
Das Foto von Feld und Himmel bietet die in der Skizze angedeutete Weite. Der Weg und die Ackerfurchen liefern die Führungslinien. Auch die Wolkenform strebt zur Mitte des Bildes. Am Horizont sieht man sogar schemenhaft die erste Bergkette der Alpen.
Der vordere Teil des Ackers ist aber leicht unscharf. Da ich den Baumstamm in dieser Höhe so deutlich wie möglichst abbilden möchte, muss dort auch das Feld scharf sein. Bei Landschaften mache ich immer mehrere Aufnahmen. Da ich zu dem Zeitpunkt noch nicht genau weiß, wie ich das Foto später verwende, fokussiere ich in verschiedenen Tiefen. Bei schwierigen Lichtverhältnissen kann es sein, dass der Dynamikumfang nicht ausreicht. In dem Fall mache ich zusätzliche Fotos mit korrigierter Belichtung, um Zeichnung in den ausgebrannten und abgesoffenen Bildbereichen zu erhalten.
Auch das Feld hatte ich mit dem Fokus auf den vorderen Bereich fotografiert, so dass ich mit dem Foto 4 auch Schärfe im Frontbereich abbilden kann.
Nach diesen vier Montagefotos fehlt noch das Gras im Vordergrund und der Baum im Hintergrund. Im nächsten Blog-Beitrag berichte ich über die Suche nach den letzten Fotos und Hilfsmittel für eine korrekte Perspektive sowie für die Gestaltung eines passenden Schattens (zum Beitrag).