Fotobilder am Computer inszenieren

30.11.2016     Kommentare geschlossen

Adlerlogis #1 / 2008

Adlerlogis #1 / 2008

Man kann Bilder mit den unterschiedlichsten Methoden inszenieren. Meist arrangiert der Fotograf das Motiv, um eine bestimmte Bildaussage zu erreichen. Mit Kamera und Beleuchtung setzt er das Foto entsprechend in Szene. Auch bei der Präsentation des fertigen Fotos hat man viele Möglichkeiten, den Betrachter gezielt anzusprechen.

Das war sehr schön auf der Ausstellung „Inszeniert! – Spektakel und Rollenspiel in der Gegenwartskunst“ zu sehen, von der ich im letzten Blog-Beitrag berichtete. Als ich die Kunsthalle verließ, fragte ich mich selbst, wie das eigentlich bei meinen Bildern funktioniert. Ich inszeniere vorwiegend mit den mächtigen Mitteln der digitalen Bildbearbeitung.

Beim Bild Adlerlogie #1 habe ich aus meiner Sicht relativ wenig korrigiert. Wie sah das Original aus? Was habe ich verändert und warum? In zwei weiteren Beispielen möchte ich Bilder mit stärkeren Bearbeitungen zeigen.

Foto 1: Unbearbeitetes Original

Foto 1: Unbearbeitetes Original

Das Foto 1 habe ich in Beuron in Baden-Württemberg aufgenommen. Die Donau schlängelt sich dort durch ein tiefes Tal der Schwäbischen Alb. Über den Fluss hinweg sah ich auf den Felsspitzen des Hochufers waghalsig wirkende Häuser.

Um dem Bildtitel gerecht zu werden, entfernte ich das hintere Haus und den darunter liegenden Felsen. So gefiel mir die Dramatik schon besser. Mit Tonwerten und Farben versuchte ich eine noch passendere Abendstimmung zu zaubern. Das Stückchen Himmel ließ sich im Original nicht entsprechend verdunkeln. Es gab immer wieder Torwertabrisse, so dass ich für diesen Teil ein anderes Foto verwendete.

Beim Bild „Make-up“ habe ich stärker eingegriffen. Es handelt sich um eine Teilansicht des Cafe Ludwig im Petuelpark von München. Bis zum Jahr 2004 brauste hier der Verkehr des Mittleren Rings an der Grenze von Schwabing entlang. Die Hauptverkehrsstraße verschwand im Petueltunnel und die lärmgeplagten Anwohner erhielten darüber eine zwar etwas einförmig lang gestreckte aber insgesamt doch sehr schöne Parkanlage mit pfiffigen Kunstwerken.

Make-up / 2010

Make-up / 2010

Ich konnte das Gebäude nur von einem ungünstigen Standpunkt aus fotografieren. Sofort zeigten sich die typischen stürzenden Linien von Architekturfotos. Aber auch horizontal  konvergierten die Linien, weil ich auf der Straße seitlich versetzt stand. Entsprechend kümmerlich sah das Gebäude dann auch auf dem Originalfoto aus (Foto 2).

Foto 2: Unbearbeitetes Original

Foto 2: Unbearbeitetes Original

Zunächst habe ich die Wände und das Dach des Cafés ausgerichtet und die störenden Fenster unter der Treppe entfernt. Den Himmel kopierte ich von einem anderen Foto ein. Gegenüber dem Original wollte ich durch einen vertikalen Helligkeitsverlauf Tiefe im Bild gewinnen. Der zusammen geklappte Schirm sah etwas traurig aus. Ich tauschte ihn gegen ein aktiveres Exemplar. Für mich wirkt das Haus damit so, wie wenn es etwas Make-up erhalten hätte.

Das Bild „Formvollendete Statik“ entstand durch eine aufwändigere Bearbeitung in Lightroom und Photoshop.

Formvollendete Statik / 2013

Formvollendete Statik / 2013

Hauptmotiv ist das Vordach des „Austria Center Vienna“, dem größten Konferenzzentrum Österreichs mit einer Kapazität von bis zu 20.000 Teilnehmern. Mir kommt es so vor, dass die formschöne Holzkonstruktion das schlechte Gewissen der Architekten kompensieren soll. Der im Jahr 1987 eröffnete 5-stöckige Bau besteht aus einem uninteressanten Kubus. Erst im Jahr 2007 entstand die „Eingangswelle“. Das Gebäude und das elegant geschwungene Vordach passen nach meinem Geschmack überhaupt nicht zusammen. Einen größeren architektonischen Kontrast kann es kaum geben. Also habe ich hier korrigierend eingegriffen. Das schön geschwungene Vordach musste ich von dem Center befreien.

Foto 3: Unbearbeitetes Original

Foto 3: Unbearbeitetes Original

Ich stellte die geschwungene Holzkonstruktion auf einen Platz mit freiem Blick zum Horizont. Die Bodenplatten stammten teilweise aus anderen Fotos. Es fehlte jedoch die Weite mit den perspektivisch verkleinerten Formen. Diese habe ich mit dem Stempel- und Pinselwerkzeug in Photoshop ergänzt. Die Silhouette am Horizont kopierte ich aus zwei weiteren Fotos. Nach dem Himmel musste ich nicht lange in meiner großen Sammlung von Himmel- und Wolkenfotos suchen. Für Fotomontagen brauche ich häufig einen luftigen Hintergrund. Das Vordach allein wirkte dann doch etwas schnöde. Ich wollte das Bild etwas beleben und bemühte einen Hobbyfotografen mit Irokesenfrisur, den ich in New York abgelichtet hatte.

Ist die formvollendete Statik aber auch sicher? Auf der rechten Seite fehlt jetzt die Stütze des Gebäudes. Ich stelle mir einfach vor, dass die Statiker im Boden ein gewaltiges Fundament verankert haben. Das Bild erhält dadurch jedenfalls etwas Spannung.

Als ich diesen Beitrag vorbereitete und geeignete Bilder für das Thema Inszenierung aussuchte, wurde mir erst so richtig bewusst, wie intensiv ich Fotos mit Photoshop bearbeite. Fast alle Originalbilder, die ich am PC betrachte, unterscheiden sich stark von meiner subjektiven Erinnerung an das Motiv. Also öffne ich die Zauberkiste der digitalen Bildbearbeitung.

Irgendwie kann ich die Vertreter der traditionellen „reinen“ Fotografie verstehen, wenn sie dies als unfair empfinden. Aber den traditionellen Fotografen stehen immer noch die vielen Möglichkeiten der Inszenierung des Motivs selbst zur Verfügung, wie sie in der Portätfotografie intensiv genutzt werden. Aber bei der Landschafts- und Architekturfotografie funktioniert das nur sehr eingeschränkt. Dann bleibt den Dogmatikern doch nur noch das ausgefeilte Regelwerk der Naturfotografen mit mehrseitigen Auflistungen, welche digitalen Retuschen gestattet und welche verboten sind. In dem Artikel „Authentisch also gut?“ schreibe ich über das zunehmende Misstrauen gegenüber Bildern und darüber wie man dieser Vertrauenskrise begegnen könnte (zum Artikel).